Die ferne Agonie vergangener Kriege wird durch den Angriff auf die Ukraine plötzlich wiederbelebt

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Gelesen von Brenda

Die ferne Agonie vergangener Kriege wird durch den Angriff auf die Ukraine plötzlich wiederbelebt

Als meine Tochter sich vor drei Jahren über Hochschulen informierte, besichtigten wir fünf Universitäten an ebenso vielen Standorten in ganz Deutschland. Jede Stadt, die wir besuchten, ist von Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg, den Kalten Krieg oder beides geprägt. Mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine wurde diese Geschichte fast über Nacht wiederbelebt. Mit aller Macht.

Die innerdeutsche Grenze

Um nach Berlin zu gelangen, fuhren wir von Bayern nach Norden nach Thüringen. Mein Mann schauderte, als wir die sogenannte innerdeutsche Grenze überquerten, die den Schnittpunkt von Ost- und Westdeutschland bezeichnet. Als ehemaliger Panzerkommandant in der Bundeswehr, der deutschen Armee, wurde ihm dieses Gebiet zugeteilt. Es fällt ihm immer noch schwer, einfach durch diese Gegend zu fahren und zu vergessen, dass es nur Geschichte ist.

Es stellte sich heraus, dass es ein Fehler gewesen wäre, es zu vergessen.

Jetzt ist Russland, der hartnäckige Unterstützer Ostdeutschlands und seines repressiven Regimes in Form der Sowjetunion, in die Ukraine einmarschiert. Die europäische Ordnung wurde auf den Kopf gestellt. Viele Geister wurden durch diesen Angriff geweckt. Das gilt für jeden Deutschen, den ich kenne. Keine Familie ist ohne eine tragische Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg oder den darauffolgenden Kalten Krieg. Oder beides.

Die Geschichte der beiden Frankfurter

Frankfurt an der Oder – „Frankfurt an der Oder“ – ist eine kleine Stadt. Polen liegt direkt gegenüber der Brücke und ist zu Fuß in 10 Minuten erreichbar. Dies ist Teil der berühmten Oder-Neiße-Grenze zwischen der ehemaligen DDR und Polen, die seit langem ein ernster Streitpunkt sowohl innerhalb Deutschlands als auch zwischen Deutschland und Polen ist. Dies wurde schließlich durch die Initiative von Bundeskanzler Willy Brandt geregelt, diese Grenze im Jahr 1970 offiziell anzuerkennen.

Wir besuchten Frankfurt an der Oder, um das zu sehen Europäische Viadrina-Universität. Das Personal dort war super freundlich und der Lehrplan international. Europäisch, wie es sein würde. Es passt, dass sich eine Universität direkt an dieser umstrittenen Grenze der Stärkung Europas widmet. Nachdem wir die Universität verlassen hatten, stand ich am nahegelegenen Flussufer und schaute hinüber zu Polen auf der anderen Seite und versuchte mir vorzustellen, wie diese Grenze jemals ein Brennpunkt gewesen sein könnte. Es kam mir harmlos vor, da sich die Oder langsam vorbeischlängelte. Es war nicht viel los.

Jetzt drängen sich die Ukrainer über diesen polnisch-deutschen Grenzübergang. Sowohl die Polen als auch die Deutschen hier haben lebhafte Erinnerungen an die Unterdrückung und heißen diese neuen Flüchtlinge willkommen mit offenen Armen.

Das andere Frankfurt ist Frankfurt am Main – „Frankfurt am Main“ – dessen Universität wir ebenfalls besucht haben. Dies ist eine viel größere Stadt und auch die Stadt, von der man normalerweise in den Nachrichten hört. In meinen Augen sah der Campus sehr amerikanisch aus. Ich hätte mich dort sehr wohl gefühlt, wenn ich dort studiert hätte. Aber meine Tochter empfand das anders.

Frankfurt ist nicht nur die Finanzhauptstadt Deutschlands, sondern auch die Heimat der Europäischen Zentralbank. Es als das finanzielle Herz der EU zu bezeichnen, wäre keine Übertreibung. Deutschland bestand darauf, diese wichtige Institution auf seinem Territorium zu haben. Vor Jahrhunderten spielte Frankfurt auch als Krönungssitz eine Rolle in der bayerischen Geschichte.

Diese Stadt diente in den 1990er Jahren nach dem Fall der Berliner Mauer und dem darauffolgenden Zusammenbruch der Ostblockländer auch als Drehscheibe für die Aufnahme von Flüchtlingen. Dazu gehörten nicht nur Ostdeutsche, sondern auch Wolgadeutsche aus der ehemaligen Sowjetunion und Siebenbürgisch-Sächsisch Und Banat-Schwäbisch Deutsche aus Rumänien. Nach ihrer Ankunft strömten die Flüchtlinge in andere deutsche Städte aus.

Jetzt empfängt Frankfurt Ukrainer, zu.

Potsdam

Unser Besuch an der Universität Potsdam wurde durch das Schöne hervorgehoben Sans-Souci-Palast, ein Name, der auf Französisch „keine Sorge“ bedeutet. Friedrich der Große baute diesen Palast, der sein Lieblingsschloss war. Der Park beherbergt heute viele Universitätsgebäude. Weder Friedrich noch die Stadt hatten ein sorgenfreies Leben; Die Stadt ist Namensgeberin der Potsdamer Konferenz, auf der das letzte Treffen der Alliierten stattfand, um über das Schicksal Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg zu entscheiden. In der Hauptstadt Berlin konnten sie sich nicht treffen, da alle geeigneten Gebäude durch Bomben zerstört worden waren.

Wir stiegen die Treppe hinauf Neues Palais, dem Neuen Palais, um mich mit einem möglichen zukünftigen Professor zu treffen, der so überzeugt war, dass sich meine Tochter für ein Studium hier entschied. Sie hat auch eine Vorliebe für barocke Gebäude und knarrende Holztreppen. „Neu“ für diesen Palast bedeutet, dass er im Jahr 1763 erbaut wurde, zu einer Zeit, als meine Landsleute in den USA noch überlegten, ob sie unabhängig werden sollten. In einem anderen Universitätsgebäude befindet sich das Skelett des Lieblingspferdes Friedrichs des Großen, das logischerweise auch älter als mein Land ist.

Die Orangerie (ja, König Friedrich hat sie von Versailles übernommen) ist ein weiteres wichtiges Gebäude des Schlosses Sans Souci. Nun ist es soweit in ein Zentrum umgewandelt für ukrainische Flüchtlinge.

Augsburg

Eine Universität, die wir besuchten, lag ganz in der Nähe, in Augsburg. Diese charmante Stadt ist nur 30 Minuten mit dem Zug von München entfernt. Hier besuchte eine ostdeutsche Freundin nach ihrer Flucht in den Westen die Universität und musste feststellen, dass von ihr erwartet wurde, dass sie fließend Englisch spricht. Aber in den ostdeutschen Gymnasien wurde Russisch unterrichtet. Sie verbrachte einen Großteil ihrer Zeit an der Universität damit, in Wörterbüchern zu blättern, nur um den Stoff zu verstehen, zusätzlich zum eigentlichen Lernen.

Dies ist die Stadt, in der Karl V., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, 1555 den Augsburger Frieden schloss, teilweise aufgrund der Agitation Martin Luthers. Jahre später war es im Zweiten Weltkrieg das Zentrum der Messerschmitt-Flugzeugproduktion. Die Alliierten besuchten sie entsprechend mit ihren Bombern, doch in den folgenden Jahrzehnten erlangte die Stadt viel von ihrem mittelalterlichen Charme zurück.

Der Rathaus von AugsburgUrsprünglich mit der Absicht erbaut, der ständige Sitz des Heiligen Römischen Reiches zu werden, weht heute die Flagge der Ukraine. Auch diese Stadt heißt Flüchtlinge willkommen.

Berlin

Wir statteten der Humboldt-Universität zu Berlin nur einen kurzen Besuch ab und reisten schnell wieder ab. Es war sehr groß und imposant.

Ein Museum der besonderen Art hat in Berlin erst vor wenigen Monaten seine Pforten geöffnet. Es befasst sich mit einem Thema aus dem Zweiten Weltkrieg, das so kontrovers ist, dass keine Einigung darüber erzielt werden konnte, welche Themen genau behandelt werden sollten – und wie.

Dies ist das Dokumentationszentrum für Flucht, Vertreibung und Versöhnung – das Dokumentationszentrum Flucht, Exil und Versöhnung. Das deutsche Wort Vertreibung, was Verbannung bedeutet, ist äußerst belastend. Es erinnert an das 12 bis 14 Millionen Volksdeutsche die während und nach dem Zweiten Weltkrieg sowohl von der vorrückenden Roten Armee als auch auf Geheiß der verbliebenen alliierten Mächte zur Umsiedlung nach Westdeutschland gezwungen wurden. Diese Umsiedlung ist neben einer allgemeinen Geschichte des Exils in der Welt das Hauptthema der Ausstellungen des Museums.

Während unseres Besuchs fragte der Führer, ob jemand in unserer 12-köpfigen Gruppe – alles Deutsche – eine persönliche Exilgeschichte in seiner Familie hatte. Zwei Hände gingen nach oben. Sie waren Nachkommen einiger dieser im Exil lebenden Deutschen. In diesem Fall mit Wurzeln in der Sudetenland Und Schlesien, gelegen in der Tschechischen Republik bzw. Polen.

Wie ironisch – und tragisch – ist es, dass die Feindseligkeiten in der Ukraine nur wenige Monate nach der Eröffnung dieses Museums die größte Flut von Kriegsflüchtlingen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg auslösten, dem Krieg, der den an diesem Ort dokumentierten Flüchtlingsexodus auslöste.

Es dauerte 70 Jahre, bis die Kontroverse und das Trauma rund um die im Exil lebenden Deutschen und Flüchtlinge soweit abgeklungen waren, dass dieses Museum eröffnet werden konnte. Wenn ich mir die Aufnahmen von der Bombardierung der Ukraine und dem daraus resultierenden Flüchtlingsstrom ansehe – zum Zeitpunkt dieses Schreibens waren es zwei Millionen –, schaudert es mich, wenn ich daran denke, wie viele Jahre es dauern wird, bis der angerichtete Schaden behoben ist.

Und das ist erst der Anfang.

Brenda Arnold

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